Veranstaltung: | JEF Bundeskongress 2024 |
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Antragsteller*in: | Alina Gosch, Lina Wagner, Dominik Geier, Valentin Petri, Hanna Trepte (JEF Berlin-Brandenburg) |
Status: | Geprüft |
Antragshistorie: | Version 7 |
IA16: Positionierung der JEF Deutschland zum Pakt zu Asyl und Migration
Antragstext
Als überparteilicher Jugendverband, der sich für ein offenes, werteorientiertes
und tolerantes Europa einsetzt, möchten wir erneut unsere ausdrückliche
Besorgnis über die menschenrechtliche Lage an den EU-Außengrenzen zum Ausdruck
bringen. Der Umgang der Europäischen Union mit geflüchteten Menschen entspricht
nicht unserem Anspruch an ein Europa, das dafür steht, nationalstaatliche
Grenzen zu überwinden und sich für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit
einzusetzen. Dieses Missverhältnis, zu dem wir bereits bei unserem letzten
Bundeskongress Stellung genommen haben[1], kommt insbesondere in dem im April
vom Europäischen Parlament beschlossenen Pakt zu Asyl und Migration zum
Ausdruck.
Fakt ist, dass Migration eine Normalität und eine kulturelle sowie
wirtschaftliche Bereicherung der Europäischen Union ist[2]. Trotz dieser
Erkenntnis erklären die Kommission, die Regierungen in den Mitgliedstaaten und
eine Mehrheit des Europäischen Parlaments seit Jahren nicht die unübersehbaren
Defizite des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, sondern die geflüchteten
Meschen selbst zum Problem. Anstatt eine funktionsfähige Alternative zum Dublin-
Verfahren zu beschließen, werden immer größere Anstrengungen unternommen, die
Einreise für schutzsuchende Menschen unverhältnismäßig zu erschweren und somit
Asylgesuche an oftmals lebensgefährliche Fluchtrouten koppelt.
Insbesondere möchten wir als JEF Deutschland unsere klare Positionierung zu
folgenden Punkten des Pakts zu Asyl und Migration zum Ausdruck bringen:
- Jeder Mensch hat ein Recht auf ein individuelles, faires und
menschenwürdiges Asylverfahren. Das neue verpflichtende „Grenzverfahren“
sieht die Internierung von Menschen aus bestimmten Herkunftsstaaten,
darunter Familien mit Kindern, in haftähnlichen Zuständen an der
Außengrenze und die Durchführung eines Asylverfahrens in zwölf Wochen vor.
Dies widerspricht diesem fundamentalen Recht zutiefst. Insbesondere
verurteilen wir auch die mögliche Ausweitung des Grenzverfahrens auf
Asylsuchende aller Nationalitäten in Krisenfällen sowie das Fehlen einer
rechtlichen Möglichkeit, sich gegen die Einstufung in das Grenzverfahren
zu wehren.
- Wir begrüßen den Ansatz, dass nicht nur die Ankunftsländer, sondern alle
Mitgliedstaaten der EU Verantwortung für Asylsuchende übernehmen sollen.
Eine nachhaltige Lösung muss jedoch der angespannten Lage an den EU-
Außengrenzen Rechnung tragen und echte Solidarität mit Geflüchteten und
den Ankunftsstaaten zum Ausdruck bringen. Dies kann nicht gewährleistet
werden, wenn Mitgliedstaaten sich durch Investitionen in besseren
Grenzschutz von der Aufnahme Asylsuchender freikaufen können und das
Dubliner Prinzip beibehalten wird, wonach der Erstankunftsstaat
grundsätzlich für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig bleibt.
Auch die Mindestzahl von 30.000 Übernahmen von Geflüchteten pro Jahr trägt
der angespannten Lage an den Außengrenzen nicht ausreichend Rechnung.
- Die Lockerung der Kriterien für sogenannte sichere Drittstaaten und das
Fehlen von konkreten Kriterien für Staaten, in die Geflüchtete abgeschoben
werden dürfen, verurteilen wir aufs Schärfste. Anstatt zu prüfen, ob
legitime Gründe vorliegen, einen Flüchtlingsschutz zu gewähren, werden
Menschen in Staaten abgeschoben, in die ihre Sicherheit nicht
gewährleistet ist. Dies unterminiert den Schutzanspruch von Verfolgten.
- Die Aufnahme von Millionen schutzsuchender Menschen aus der Ukraine hat
gezeigt, dass die EU dazu in der Lage ist, würdig, effektiv und
solidarisch mit geflüchteten Menschen umzugehen. Wir fordern den gleichen
politischen Willen auch für die Aufnahme von Menschen aus allen anderen
Teilen der Welt. Ethnische Kriterien dürfen hier keine Rolle spielen.
- Die Ideale eines vereinten Europas machen nicht an unseren Außengrenzen
halt. Die Fortschritte, die wir im Bereich der Menschenrechte, Demokratie
und Rechtsstaatlichkeit für die europäischen Bürger:innen erreicht haben,
sind nur dann nachhaltig und glaubhaft, wenn sie inklusiv und konsequent
umgesetzt werden. Eine Abschottung der EU nach Innen wie nach Außen hin
verurteil wir aufs Schärfste.
- Wir fordern ein Europa, das sich auch international für Demokratie und die
Wahrung von Menschenrechten einsetzt. Dies kann nur dann glaubhaft
geschehen, wenn die EU bereit ist, ihre moralischen Standards selbst
umzusetzen. Die aktuelle europäische Grenzpolitik beschädigt nicht nur die
internationale Integrität und Glaubwürdigkeit Europas, sondern wird auf
Kosten huminatärer Mindeststandards für schutzsuchende Menschen betrieben.
- Als JEF Deutschland stehen wir für die Vision eines geeinten Europa, das
für alle Menschen offen ist und in dem die Rechte aller Menschen, egal ob
Unionsbürger:innen oder nicht, gleichermaßen geachtet und geschützt
werden.
[2]https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:85ff8b4f-ff13-11ea-b44f-
01aa75ed71a1.0001.02/DOC_3&format=PDF
Begründung
Am 10. April 2024 wurde der Neue Pakt für Asyl und Migration mit einer knappen
Mehrheit vom EU-Parlament verabschiedet[1]. Unter anderem sieht es die
Einführung von sogenannten Grenzverfahren vor, in die alle Asylsuchenden fallen,
die einer Nationalität mit einer durchschnittlichen Anerkennungsquote von unter
20% angehören. Während des Grenzverfahrens, das nicht länger als 12 Wochen
dauern soll, werden sie an Lagern an den EU-Außengrenzen festgehalten, die sie
nicht verlassen dürfen. Diese haftähnlichen Bedingungen gelten auch für Familien
mit Kindern. In sogenannten Krisensituationen kann das Grenzverfahren auch für
Geflüchtete angewendet werden, deren Anerkennungsquote höher ist als 20% und die
zeitlichen Fristen können verlängert werden.
Darüber hinaus sieht der Pakt einen verpflichtenden, aber flexiblen
Solidaritätsmechanismus vor: Nach wie vor sind die Ankunftsstaaten für die
Durchführung des Asylverfahrens zuständig, allerdings sind andere
Mitgliedstaaten verpflichtet, Asylbewerbende zu übernehmen oder sich in einer
anderen Weise solidarisch zu zeigen. Dies kann jedoch auch in Form von
Unterstützung bei der Abschiebung abgelehnter Asylbewerbender oder der
finanziellen Unterstützung von Drittstaaten wie Libyen beim Ausbau ihres
Grenzschutzes erfolgen.
Die Kriterien für sogenannte sichere Drittstaaten, in die Geflüchtete
abgeschoben werden dürfen, werden durch den Pakt weiter gelockert. So wird es
beispielsweise möglich, Menschen in Staaten abzuschieben, die die Genfer
Flüchtlingskonvention nicht unterzeichnet haben und in denen ein
Flüchtlingsschutz daher nicht sichergestellt ist.
Nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine hat sich der Rat der EU sehr schnell
und unbürokratisch darauf geeinigt, die Richtlinie für vorübergehenden Schutz
(bis 2022 „Massenzustrom-Richtlinie“) zu aktivieren. Mit dieser erhalten alle
Geflüchtete aus der Ukraine sofortigen Schutzstatus und soziale Rechte wie
beispielsweise Zugang zum Arbeitsmarkt[2]. Ein ähnlicher politischer Wille fehlt
bislang für Geflüchtete aus anderen Nationen. 2015 wurde die Richtlinie
beispielsweise nicht aktiviert.
Wir sind als JEF stolz darauf, für ein Europa einzustehen, das sich als
Friedensprojekt versteht und mit seinen offenen inneren Grenzen sinnbildlich für
Vielfalt und Offenheit steht. Gerade deswegen ist es essenziell, dass wir als
Verein eine starke Position zu der humanitären Krise an unseren Außengrenzen
einnehmen. Unsere Vision von einem grenzenlosen Europa muss alle Menschen
einschließen, unabhängig davon, wo sie geboren wurden.
Unterstützer*innen
Zustimmung
Änderungsanträge
- 994 (Pia Wirtz (NRW), Zurückgezogen)