Veranstaltung: | JEF Bundeskongress 2024 |
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Antragsteller*in: | LA BW (dort beschlossen am: 27.04.2024) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 30.08.2024, 17:39 |
IA5: Östliches Mittelmeer: Für eine bessere EU-Türkei-Griechenland Strategie
Antragstext
Der Gaskonflikt zwischen der Türkei und dem EU-Mitgliedsland Griechenland,
welche die beiden Staaten bzw. die Türkei mit der EU 2020 am Rande eines Krieges
brachte, ist zwar aktuell aufgrund der amerikanischen Präsidentschaft von Joe
Biden, der Erdbebenpolitik Griechenlands, nach dem großen Erdbeben im Frühjahr
2022, und des Ukrainekonflikts eingefroren. Diese Faktoren sind allerdings nicht
von permanenter Natur. Um den Konflikt nachhaltig zu lösen und nicht nur
einzufrieren und eine weitere Energiequelle für die EU zu sichern, fordern wir:
- Die EU muss die USA als militärische und politische Führungsmacht im
östlichen Mittelmeer ablösen, um Ordnung und Stabilität in die Region zu
bringen. Dies könnte dadurch geschehen, dass die großen EU-Staaten ihre
militärische Präsenz in der Region verstärken.
- Die EU muss sich dafür einsetzen, dass die Türkei in das „Eastern
Mediterranean Gas Forum“ aufgenommen wird, um Spannungen ab- und Vertrauen
aufzubauen. Sollte dies nicht möglich sein, muss die EU einen Trilog mit
Griechenland/Südzypern und der Türkei/Nordzypern initiieren, um in einem
institutionellen Rahmen über die Wiedervereinigung Zyperns, die Seegrenzen
und die Gasverteilung zu sprechen.
- Die EU muss die Beilegung dieses Konflikts als hohe außenpolitische
Priorität einstufen. Hierzu fordern wir die EU auf, ein Grünbuch zur
Verbesserung der EU-Türkei-Beziehungen zu erarbeiten. Eine nachhaltige
Verbesserung der griechisch-türkischen Beziehungen würde regionale
Energieinfrastrukturprojekte ermöglichen, die die europäische
Energieversorgung auf eine breitere und kostengünstigere Basis stellen.
- Aus geostrategischer Sicht muss die EU die Beitrittsverhandlungen mit der
Türkei wieder aufnehmen und die jährlichen Zahlungen für die Heranführung
der Türkei an den EU-Rechtsrahmen wieder aufnehmen, sofern die Türkei die
demokratischen und rechtsstaatlichen Anforderungen erfüllt.
Begründung
In der Vergangenheit wurde das Mittelmeer oft als Geburtsort der Zivilisation
beschrieben, während es heute auch als geostrategischer Ort bezeichnet werden
kann. Einer der Gründe für diesen Wandel der Wahrnehmung ist die Entdeckung
großer Gasmengen im östlichen Mittelmeer (Ägypten) im Jahr 1967. Dies weckte
Begehrlichkeiten in Bezug auf die Gasförderung. Ein weiteres Problem bleibt
jedoch bestehen. Bis heute gibt es keine Klarheit über die Seegrenzen zwischen
der Türkei, Griechenland, Zypern (Nord/Süd), dem Libanon, Israel/Palästina und
Syrien. Diese ungelöste Frage hat dazu geführt, dass die potenzielle
Infrastruktur zur Gasförderung nicht realisiert werden kann. Hier kommt der
jüngste Konflikt zwischen der Türkei und Griechenland über die Einrichtung von
ausschließlichen Wirtschaftszonen ins Spiel, um die Kontrolle über Gasfelder im
östlichen Mittelmeer zu erlangen. Es ist wichtig, den Hintergrund des Konflikts
zu verstehen, denn die Streitigkeiten zwischen den beiden Ländern sind nicht
neu. In Anbetracht der langen konfliktreichen Geschichte (von der griechischen
Unabhängigkeit bis zur Krise um die Inseln Imia/Kardak im Jahr 1996), die beide
Länder verbindet, scheint der Versuch, diesen Konflikt beizulegen, schwierig.
Allerdings sind diesmal nicht nur Griechenland/Zypern (und damit die EU) und die
Türkei Akteure in diesem geostrategischen Wettbewerb; auch Ägypten, Israel etc.
spielen eine Rolle in diesem Showdown. Diese Konstellation macht diesen
bilateralen Konflikt zu einem eher "regionalen Machtkampf", was diesen Konflikt
noch gefährlicher macht. Diese spannungsgeladene Situation verhindert, dass
regionale Energieinfrasturkturprojekte nicht realisiert werden können. Als
Beispiel kann die Idee vom italienischen Energieunternehmen „Eni“ vom Jahr 2015
genommen werden, als das Zohr Gasfeld im Jahr 2015 gefunden wurden. Danach
versucht der Konzern Israel, Ägypten und Südzypern zu überzeugen, ihre Gasfelder
zu kombinieren und als billiges LNG-Gas von Ägypten aus zu verkaufen. Hierbei
war von Anfang an klar, dass bei diesem Projekt weder die Türkei noch die
Nordzypern beteiligt werden würden.
Ein vorläufiger Höhepunkt dieses Konflikts fand im Sommer 2020 statt, als sich
türkische und griechische Kriegsschiffe gegenüberstanden. Diese gefährliche
Situation wurde möglich, nachdem die Türkei ein Bohrschiff in Gewässer geschickt
hat, welche Griechenland rechtlich beansprucht. Obwohl sich der Konflikt nach
diesem "heißen" Sommer 2020 beruhigte, verschärfte er sich im Mai 2022 erneut,
als Erdogan erklärte, dass der griechische Präsident Mitsotaki "für ihn nicht
mehr existiere“. In den folgenden Monaten drohte Erdogans Regierung Griechenland
mehrmals, wobei Erdogans Drohungen im September 2022 unmissverständlich klar
wurden, als er davon sprach, dass sie (Türken) "eines Nachts plötzlich
herunterkommen könnten" oder dass die Griechen "Izmir nicht vergessen" sollten.
Gleichzeitig beschloss die Türkei nach einer zweijährigen Pause, ihre Bohrungen
im östlichen Mittelmeer wieder aufzunehmen. Der Konflikt schwillt unter der
Oberfläche weiter, da das grundsätzliche Problem nicht gelöst wurde. In
Anbetracht dessen, dass Donald Trump bald wieder im Weißen Haus sitzen könnte
und dass Europa aktuell in einem direkten geostrategischen Konflikt mit Russland
steht, wäre es von Vorteil, dass in dieser Region Europas kein neuer
potenzieller Konfliktherd entstehen würde. Außerdem könnte die nachhaltige
Lösung von diesem Konflikt eine neue Energiequelle für Europa bedeuten und das
könnte helfen, unabhängiger vom russischen Gas zu werden.
Rechtliche Erklärung
Um das Problem vollständig zu verstehen, müssen die Rechtsansprüche, die hinter
diesem Konflikt stehen, näher erläutert werden. Die Türkei beansprucht eine
Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) im östlichen Mittelmeer, die sich mit der
von Griechenland beanspruchten AWZ überschneidet. Darüber hinaus beziehen sich
beide Nationen auf das UN-Seerechtsübereinkommen (UNCLOS), wobei der Unterschied
darin besteht, dass Griechenland sich an UNCLOS III (1982) hält, dass die Türkei
noch nicht unterzeichnet hat. Stattdessen beruft sich die Türkei auf das UNCLOS
I (1958), das teilweise anders ist. UNCLOS III bedeutet, dass "Inseln die
maritimen Rechte der Festlandnationen, zu denen sie gehören, erweitern" (Gorvett
2020); UNCLOS I behandelt Inseln anders. Im SRÜ I erhalten Länder, in deren
unmittelbarer Nähe sich fremde Inseln befinden - ein "Festlandsockel". Das
bedeutet, dass in der Regel das angrenzende Festland die Seerechte erhält.
Darüber hinaus sollte man auch den Status Zyperns berücksichtigen, da dies
ebenfalls eine Hauptquelle für Konflikte zwischen beiden Ländern ist. Denn der
international anerkannte Teil Zyperns beansprucht für sich volle Seerechte gemäß
UNCLOS III, ohne dabei Nordzypern zu berücksichtigen. Die Türkei lehnt dies ab,
da es sonst technisch unmöglich wäre, in türkische Häfen einzulaufen, ohne
griechische Gewässer zu betreten. Stattdessen beharrt sie darauf, dass Zypern
keinen Anspruch auf eine AWZ hat. Sie argumentieren, dass das Gebiet um Zypern
aufgrund seiner langen Mittelmeerküste als türkische AWZ betrachtet werden
sollte. Zypern verfügt, wenn überhaupt, nur über zwölf Seemeilen, einschließlich
Nordzyperns. Daher ist es offensichtlich, warum die Türkei das SRÜ III noch
nicht unterzeichnet hat, Griechenland aber schon. Es sollte klar sein, dass sich
die Türkei in einer schwachen Verhandlungsposition befindet, da das SRÜ III
heutzutage weitgehend als Gewohnheitsrecht angesehen wird.
Matthias Spies: