Veranstaltung: | JEF Bundeskongress 2024 |
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Antragsteller*in: | Landesverband Niedersachsen (dort beschlossen am: 03.09.2024) |
Status: | Geprüft |
Antragshistorie: | Version 2 |
IA9: Für eine Europäische Grundrechtsbeschwerde
Antragstext
Die Europäische Union zeichnet sich maßgeblich durch gemeinsame Werte aus.
Grundrechte sind Abwehrrechte gegen den Staat. Sie können auch Leistungsrechte
oder Gleichheitsrechte gegenüber diesem sein. Darüber hinaus sind sie auch als
Wertmaßstab bei der Beurteilung von privaten Handlungen vor Gericht
heranzuziehen. Mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) und
den Grundfreiheiten im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
(AEUV) hat sich die EU eine grundsätzlich moderne, weitgehende und gute
rechtliche Grundlage für den Schutz der Unionsbürger:innen gegeben, welcher auch
in Teilen über den Schutzbereich des Grundgesetzes hinausgeht. Doch
Grundrechtsschutz braucht nicht nur Normen, sondern auch deren Durchsetzung.
Das Bundesverfassungsgericht hat am 6. November 2019 mit dem Beschluss „Recht
auf Vergessen II“ sich selbst ermächtigt, im Bereich des vollharmonisierten
Unionsrechts Verstöße gegen Unionsgrundrechte und -freiheiten festzustellen.1
Begründet wurde dies mit einer Schutzlücke: Es gibt keine Grundrechtsbeschwerde
auf EU-Ebene.
Das Bundesverfassungsgericht prüft im volldeterminiertem Unionsrecht daher
selbst anhand der EU-Grundrechte, ob ein Verstoß vorliegt. Im nicht-
volldeterminiertem Unionsrecht prüft es primär anhand des Grundgesetzes und nur
bei einem weitergehenden Schutzbereich sekundär anhand der EU-Grundrechte und
Grundfreiheiten.
Verletzungen von Grundrechten und Grundfreiheiten können vor dem EuGH derzeit in
zwei Verfahrensarten geltend gemacht werden: dem Vorabentscheidungsverfahren und
der Nichtigkeitsklage.2
Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV zeichnet sich durch die
Notwendigkeit der Vorlage an den EuGH durch ein nationales Gericht aus.
Bürger:innen müssen vor dem jeweiligen national zuständigen Gericht
(beispielsweise dem örtlichen Verwaltungsgericht) Klage erheben, dies kann
grundsätzlich auch das Bundesverfassungsgericht sein. Es gibt eine
Vorlagepflicht zum EuGH zu letztinstanzlichen Gerichten, erste und niedrigere
gerichtliche Instanzen hingegen sind nicht zur Vorlage verpflichtet (Quelle 3).
Es gibt aber keinen direkten Zugang zum EuGH.
Nichtigkeitsklagen nach Art. 263 AEUV können grundsätzlich durch natürliche und
juristische Personen direkt beim EuGH eingereicht werden, um gegen Handlungen
der EU vorzugehen. Voraussetzung ist aber eine unmittelbare und individuelle
Betroffenheit, welche, vom EuGH sehr restriktiv ausgelegt wird. So dürfen keine
weiteren Durchführungsmaßnahmen mehr notwendig sein und der Kläger oder die
Klägerin muss durch den Rechtsakt entweder direkt adressiert werden oder in
einer Weise betroffen sein, welche ihn oder sie im Vergleich zu anderen
besonders betroffen macht.4 Diese hohen Anforderungen an die Zulässigkeit einer
Nichtigkeitsklage führen dazu, dass sich diese nicht als eine der
Verfassungsbeschwerde gleichwertigen Möglichkeit handelt, Grundrechte gegenüber
der EU geltend zu machen. Gerade durch die restriktive Rechtsprechung des EuGH
ist es in vielen Fällen unmöglich gegen Handlungen der EU vorzugehen, was z.B.
bei Frontex und im Bereich der Asylpolitik zu einer Leerstelle führt.
Wir als Junge Europäischen Föderalist:innen Deutschland fordern daher:
Die Einführung einer Grundrechtsbeschwerde durch die Grundrechtsadressaten
vor dem EuGH. Jede:r soll das Recht haben, bei Verletzungen seiner:ihrer
Grundrechte und Grundfreiheiten durch die EU oder einen Mitgliedstaat,
welcher EU-Recht ausführt, Beschwerde zu erheben.
Anzuerkennen, dass Grundrechte, als fundamentale Rechte des Bürgers und
der Bürgerin gegen den Staat, in einer immer enger werdenden europäischen
Integration unerlässlich sind und immer bedeutsamer werden.
2Petersen, Niels: Deutsches und Europäisches Verfassungsrecht II, S. 174 Rn. 49.
3 Petersen, Niels: Deutsches und Europäisches Verfassungsrecht II, S. 174 Rn.
50.
Begründung
Erfolgt mündlich