Veranstaltung: | JEF Bundeskongress 2022 |
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Status: | Beschluss |
Beschlossen am: | 03.12.2022 |
Basierend auf: | IA11: Unsere Vision einer föderalistischen Außenpolitik |
Unsere Vision einer föderalistischen Außenpolitik
Beschlusstext
Als Junge Europäische Föderalist*innen setzen wir uns schon seit langem für eine
einheitliche europäische Außenpolitik ein, die die Werte und Interessen Europas
schlagkräftig und glaubwürdig vertreten kann. Bis heute ist es nicht gelungen,
eine gemeinsame, föderalistische Außenpolitik in Europa zu organisieren, die
auch dazu in der Lage ist, auf die Fragen unserer Zeit passende Antworten geben
zu können. Und während die europäische Integration im Bereich der Wirtschaft
zügig vorangekommen ist, streiten die Mitgliedstaaten noch heute um den
richtigen Kurs der Ausgestaltung in der gemeinsamen Außenpolitik. In Zeiten des
Krieges in der Ukraine, des globalen Klimawandels und des Aufstiegs
autokratischer Kräfte bleibt die europäische Außenpolitik in
intergouvernementalen Strukturen verhaftet und wirkt dadurch regelmäßig
inkonsequent, stark verwässert sowie ineffizient.
Dabei ist bereits vor 70 Jahren mit der “Europäischen Politischen Gemeinschaft”
(EPG) der erste Versuch unternommen worden, eine gemeinsame Außenpolitik nach
föderalistischen Grundsätzen zu schaffen. Das Scheitern der EPG führte im
Ergebnis aber dazu, dass das Gemeinschaftsprinzip bis heute keinen Einzug in den
Bereich der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik gefunden hat.
Die bestehenden Strukturen in der EU, wie die Gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik sowie die hohe Repräsentantin, sind ein erster Schritt für
mehr außenpolitische Verantwortung der EU. Gleichzeitig stellen wir als JEF
fest, das die bisherigen Maßnahmen nicht weit genug gehen. Vielmehr benötigt die
Union ein Um- und Weiterdenken der bisherigen Ideen. Ursula von der Leyen hat
bei ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union die Schlussfolgerungen aus der
Konferenz zur Zukunft Europas erneut aufgegriffen. Ein prominenter Vorschlag ist
dabei die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzip in Außen- und
Sicherheitsfragen, den wir an dieser Stelle erneut bekräftigen möchten.
Zudem hat sie ihre Unterstützung für einen erneuten Versuch für eine Europäische
Politische Gemeinschaft zugesichert. Vor diesem Hintergrund fordern wir mit
diesem Beschluss, eine föderalistische Außenpolitik in Europa final zu
vollenden!
Wir haben in Europa die Erfahrung gemacht, dass immer dann, wenn existentielle
Krisen anstehen, sich die Menschen an die Europäische Union wenden. Sei es bei
der schweren Finanzkrise vor 15 Jahren, während der weltweiten Corona-Pandemie,
dem Krieg in der Ukraine oder der Energiekrise verbunden mit einer
wirtschaftlichen Rezession: gemeinsam sind wir stärker in Europa. Eine
gemeinsame Herangehensweise an Probleme, die den ganzen Kontinent betreffen,
bringt uns wesentlich weiter als nationale Alleingänge. Nicht ohne Grund wird
dabei stets auf Jean Monnet Bezug genommen, der sagte, dass “Europa in Krisen
geschmiedet werden wird.” Insbesondere bei den Russland-Sanktionen ist die
innere Stärke Europas deutlich geworden, nachdem sie geeint, geschlossen und
schnell reagiert hat. Aktuell steht nicht nur für die Ukraine sehr viel auf dem
Spiel, sondern auch für Europa und die ganze Welt. Denn dieser Krieg richtet
sich auch gegen unsere Werte, unsere Zukunft, unsere Wirtschaft als auch unsere
freiheitliche sowie friedliche Verfassung.
Spätestens mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine müssen wir feststellen,
dass es zu einem neuen Konflikt zwischen demokratischen und autoritären Staaten
gekommen ist. Die EU sollte den Anspruch haben, bei der Verteidigung von
Demokratie und Sicherheit in Europa und weltweit eine entscheidende Rolle zu
spielen.
In diesem Sinne wollen wir, dass die gemeinsame Verständigung und der
einstimmige Beschluss von Sanktionen nicht länger von außergewöhnlichen
Umständen abhängig ist. Vielmehr müssen die institutionellen Grundlagen dafür
geschaffen werden,dass die EU auch dauerhaft geeint, geschlossen und schnell
reagieren kann. Nur gemeinsam hätte die EU genug politisches Gewicht, um als
eigenständige Akteurin auf der Weltbühne aufzutreten, Rechte und Grundrechte
ihrer Bürger*innen zu schützen und sich dabei von keiner Schutzmacht abhängig
machen zu müssen.
Als JEF fordern wir daher eine föderalistische Außenpolitik, damit die EU mit
einer Stimme sprechen kann. Das Verhältnis Föderalismus und Außenpolitik
bedeutet für uns, dass es eine verfassungsmäßig geregelte Interaktion zwischen
dem Bundesstaat Europa und seinen Mitgliedstaaten im Innenverhältnis gibt, um
nach außen mit einer Stimme zu sprechen. (Vielfalt im Innern – Einheit nach
außen) In diesem europäischen Bundesstaat hat die föderale Regierung
(Europäische Kommission) unumstrittene rechtliche Befugnis in der Außenpolitik,
damit sie die Kompetenz bekommt, internationale/völkerrechtliche Verträge
eigenständig verhandeln und abschließen zu können, wobei das Parlament mit
einbezogen werden muss. Damit dies möglich wird, möchten wir die Beschlüsse des
vergangenen Bundeskongresses in Wittenberg sowie Bundesausschusses in Brüssel
bekräftigen, die eine*n echte*n europäische*n Außenminister*in mit
eigenständigem Außenministerium einfordern.
Föderalismus bedeutet auch für uns, sich nicht gleichzumachen, sondern die
Vielfalt der Mitgliedstaaten als Reichtum zu begreifen und Respekt sowie
Toleranz voreinander zu haben. Deshalb soll es den Mitgliedstaaten unbenommen
bleiben, in den Bereichen des grenzüberschreitenden Regionalismus sowie von
internationalen Kommunalpartnerschaften weiterhin aktiv zu sein. Das europäische
Außenministerium setzt dabei den übergeordneten Rahmen und legt Ziele sowie
Strategien der Außenpolitik fest. Interessen der einzelnen Mitgliedsstaaten
sollen größtmögliche Berücksichtigung finden, indem es vor einer zukünftigen
zweiten Kammer rechenschaftspflichtig ist. Im Zweifel müssen mitgliedstaatliche
Einzelinteressen jedoch dem Gemeinwohl der Europäischen Union als Ganzes
untergeordnet werden.
Ohne eine europäische politische Autorität – mit entsprechenden föderalistischen
Kompetenzen – wird man den zentrifugalen und partikularistischen Tendenzen der
Mitgliedstaaten eben nicht standhalten können. Das wird uns schon heute
regelmäßig vor Augen geführt und unterstreicht noch einmal den dringenden
institutionellen Handlungsbedarf!
Damit die EU in einer immer schneller werdenden Welt handlungsfähiger wird,
müssen kurzfristig die nationalen Vetorechte im Rat der Außenminister*innen
abgeschafft werden. In der EU müssen wir einen Paradigmenwechsel im
Entscheidungsprozess einläuten: intergouvernementale Verhandlungen im
Europäischen Rat und im Rat der EU haben ausgedient. Ein entscheidender
Konstruktionsfehler war es, den Mitgliedstaaten ein letztinstanzliches Vetorecht
einzuräumen. Nationale Interessen an einem Vetorecht sind nachvollziehbar,
allerdings wird eine kohärente Außenpolitik dadurch zu häufig ausgebremst und
verhindert.
Als Junge Europäische Föderalist*innen wissen wir sehr genau, dass wir ein
starkes und vor allem handlungsfähiges Europa brauchen, um die großen Fragen
unserer Zeit zu lösen – Klima, Sicherheit, Schutz der Demokratie und unserer
Werte. Deshalb schlagen wir folgende Hauptschwerpunkte für eine europäische
föderalistische Außenpolitik vor:
Der europäische Binnenmarkt mit seinen Grundfreiheiten ist eine der größten
Erfolgsgeschichten Europas. Gemeinsam miteinander Handel zu treiben kann – bei
den richtigen Rahmenbedingungen – für alle Seiten vorteilhaft sein. Unsere
Handelspartner haben uns dabei geholfen, nicht nur unsere europäische Wirtschaft
zu stärken, sondern auch unsere Interessen und unsere Werte global
voranzubringen und die Globalisierung aktiv mitzugestalten. Insbesondere mit
gleichgesinnten Partnern sehen wir das Potenzial, auch außerhalb unserer Grenzen
wichtige Arbeits- und Umweltstandards durchsetzen sowie die Menschenrechtslage
in der Welt verbessern zu können. Eine europäische Außenpolitik aus einem Guss
wird uns auch dabei helfen, Beziehungen zu neuen Partnern und wichtigen
Wachstumsregionen zu knüpfen. Denn nur gemeinsam werden wir die klimaneutrale
und digitale Transformation unserer Wirtschaftsweise wirksam gestalten können –
wertegebundene Handelsverträge sind dabei das effektivste Mittel.
Als JEF fordern wir eine europäische Friedens- und Sicherheitspolitik. Momentan
stellt der russische Imperialismus und Militarismus eine grausame Verletzung des
Friedens in Europa dar. Durch Russlands völkerrechtswidrigen Angriffskrieg wurde
die europäische Sicherheitsarchitektur, die seit dem Ende des Kalten Krieges
existierte, nichtig gemacht und vollkommen zerstört. Wir verurteilen den Angriff
Russlands auf das souveräne Territorium der Ukraine und fordern die europäischen
Staaten auf, der Ukraine jede mögliche – auch militärische – Hilfe zur Verfügung
zu stellen, ohne dabei selbst in aktive Kampfhandlungen einzutreten. Wir
bekennen uns auch zu den Bündnispflichten der NATO und der EU und begrüßen die
Aufnahme weiterer Staaten in die Bündnisstrukturen. Wir bekräftigen darüber
hinaus die Forderung der JEF nach einer Europäischen Armee, um die Kräfte der
einzelnen EU-Mitgliedstaaten zu bündeln und sicherheitspolitisch weiter
zusammenzurücken.
Aufrüstung im Rahmen einer agressiven Außenpolitik, wie sie China zur Bedrohung
der Nachbarstaaten Taiwan, Japan und Südkorea durchführt, lehnen wir ab. Die EU
sollte sich deshalb für wirksame Abrüstung einsetzen und aktiv an neuen
Rüstungskontrollabkommen mitwirken. Diplomatie und Verhandlungen müssen auch
weiterhin das wichtigste Mittel zur Friedenssicherung sein. Als
Weltföderalist*innen streben wir eine globale Ordnung an, in der Atomwaffen
keinen Platz haben.
Die EU spielt in der globalen Klimadiplomatie eine führende und treibende Rolle.
Der European Green Deal nimmt sich vor, gegenüber Drittstaaten besonders als
Vorbildfunktion, aber auch im Handel und im Finanzmarkt Standards zu setzen.
Gleichzeitig sehen wir, das bisherige Bemühungen noch nicht ausreichen und die
Umsetzung zu lange dauert. Zusätzlich zu der Beschleunigung der
wirtschaftspolitischen Maßnahmen fordern wir ein verstärktes Engagement der EU
und ihrer Mitgliedstaaten in internationalen Institutionen wie den UN-
Klimakonferenzen ein. Hieraus können Kooperationen mit Nicht-EU-Staaten in Form
von Klimaallianzen oder Klimaclubs als separate Abkommen entstehen.
Wir sehen auch, dass sich Europa in mehrfacher Hinsicht energiepolitisch von
autoritären Staaten abhängig gemacht hat, die nachweislich systematische
Menschenrechtsverletzungen begehen. Das ist für uns nicht hinnehmbar und war ein
Fehler. Diesen Preis dafür bezahlen wir jetzt. Zum einen sind wir auf
Energieimporte in Form von fossilen Brennstoffen angewiesen. Zum anderen birgt
die Umstellung auf erneuerbare Energien die Gefahr, sich neuen Abhängigkeiten
außereuropäischer Zulieferindustrien aus der Solar- und Windenergiebranche
auszusetzen. Durch fehlende Investitionen der letzten Jahrzehnte in erneuerbare
Energien ist die EU bei der angestrebten Energiewende aktuell auf China als
Weltmarktführer in der Solarbranche sowie Gatekeeper auf dem für
Windkraftanlagen entscheidenden Markt für seltene Erden angewiesen.
Gleichermaßen dominiert China mit einem Anteil von 61% an der weltweiten
Minenproduktion den Markt für seltene Erden, welche nötig sind für die
Herstellung von Windkraftanlagen. In der Vergangenheit hat China den Export
bereits künstlich gedrosselt und auch in Zukunft könnte China Exportstopps als
Druckmittel in internationalen Konflikten einsetzen. Eine derartige Abhängigkeit
von autoritären Staaten, die nachweislich systematische
Menschenrechtsverletzungen begehen, ist für uns nicht hinnehmbar.
Wir fordern daher, dass Europa seine Bezugsquellen für alle kritischen Rohstoffe
und Technologien diversifiziert und die Transformation zu den erneuerbaren
Energien beschleunigt. Dafür ist es unerlässlich, die europäische Industrie aus
der Solar- und Windenergiebranche mit hohen Investitionen zu unterstützen. Das
Ziel muss eine sichere, europaweite sowie autonome Energieversorgung sein, die
unabhängig von fossiler Energie sowie von Energiequellen aus autoritären Staaten
ist.
Darüber hinaus bekräftigen wir die umfassenden klimapolitischen und
umweltrechtlichen Beschlüsse vom Bundeskongress 2020 und dem Bundesausschuss im
März 2022.
Als JEF fordern wir ebenfalls eine feministische Außenpolitik. Feministische
Außenpolitik orientiert sich am Wohl der Menschen und berücksichtigt möglichst
viele verschiedene Lebensrealitäten. Europa ist eine Wertegemeinschaft und
sollte sich aus diesem Grund weltweit für Menschenrechte einsetzen. Insbesondere
Frauen und andere marginalisierte Gruppen werden bei Entscheidungen in der
Außen- und Sicherheitspolitik nicht ausreichend berücksichtigt, obwohl sie
maßgeblich von deren Konsequenzen betroffen sind.
Als JEF fordern wir ebenfalls eine feministische Außenpolitik.
Als JEF fordern wir ebenfalls eine feministische Außenpolitik. Feministische
Außenpolitik legt ein erweitertes Sicherheitsverständnis zur Grundlage dar,
welches nationale Sicherheit in humane Sicherheit erweitert. Dies beinhaltet den
erweiterten Sicherheitsbegriff, der Frieden nicht nur als Abwesenheit von Krieg
bezeichnet, sondern auch strukturelle Gewalt mitberücksichtigt und anstrebt
diese zu überwinden. Hierzu berücksichtigt feministische Außenpolitik die
mögliche strukturelle Gewalt in Handel, Kooperation und der Innenpolitik beider
Länder.
Daher orientiert sich Feministische Außenpolitik am Wohl der Menschen und
berücksichtigt möglichst viele verschiedene Lebensrealitäten. Europa ist eine
Wertegemeinschaft und sollte sich aus diesem Grund weltweit für Menschenrechte
einsetzen. Insbesondere Frauen und andere marginalisierte Gruppen werden bei
Entscheidungen in der Außen- und Sicherheitspolitik jedoch nicht ausreichend
berücksichtigt, obwohl sie maßgeblich von deren Konsequenzen betroffen sind. Die
EU sollte deshalb als Fürsprecherin für die Gleichbehandlung von Frauen und
anderen marginalisierten Gruppen das Wort ergreifen und sie stärker an
entsprechenden Entscheidungsprozessen beteiligen.
Aus diesem Grund fordern wir als JEF eine feministische Außenpolitik.
Feministischer Außenpolitik liegt ein erweitertes Sicherheitsverständnis zur
Grundlage, das nationale, staatliche Sicherheit auf die individuelle Sicherheit
der Menschen erweitert. Dieses Sicherheitsverständnis beinhaltet auch eine
Vorstellung von Frieden, die nicht nur die Abwesenheit von physischer, sondern
auch struktureller Gewalt mitberücksichtigt. Als strukturelle Gewalt gelten alle
Faktoren, die Menschen daran hindern ihr vollständiges Potenzial zu erreichen.
Um diesen Zustand zu überwinden, berücksichtigt feministische Außenpolitik die
mögliche strukturelle Gewalt in Handel, Kooperation und der Innenpolitik beider
Länder, orientiert sich am Wohl der Menschen und berücksichtigt möglichst viele
verschiedene Lebensrealitäten.
Gleichzeitig soll der historische Kontext der europäischen Außenpolitik bei
künftigen außenpolitischen Entscheidungen bedacht werden, um aus Fehlern der
Vergangenheit zu lernen und eine gerechtere Weltordnung zu ermöglichen. Wir
fordern zudem, dass die EU jungen oder unter Druck geratenen Demokratien
zusätzliche Hilfe zukommen lässt und die organisierte Zivilgesellschaft
insbesondere dort unterstützt, wo staatliche Willkür und Korruption sie zu
zerstören drohen.
Als JEF fordern wir eine Verstärkung der internationalen Kooperation. Die
Zusammenarbeit mit den Ländern des globalen Südens soll auf Augenhöhe passieren.
Neokoloniale Bestrebungen, wie die Kreditvergaben Chinas, lehnen wir ab, da sie
Abhängigkeiten zu den geldgebenden Staaten schaffen. Stattdessen setzen wir uns
für eine Zusammenarbeit mit Ländern des globalen Südens auf Augenhöhe ein.
Wenn wir uns ernsthaft auf die Welt von morgen vorbereiten wollen, müssen wir
auch in der Lage sein, die Dinge selbstbestimmt anzugehen, die für die Menschen
in Europa am wichtigsten sind.
Begründung
erfolgt mündlich.