Veranstaltung: | JEF Bundeskongress 2021 |
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Antragsteller*in: | JEF Bundesvorstand (dort beschlossen am: 17.09.2021) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 16.10.2021, 22:11 |
Ersetzt: | IA16NEU4: Leitantrag zu Bundeskongress 2021 Tore auf - Europa rein: Jetzt gestalten wir! |
IA16NEU5: Leitantrag zu Bundeskongress 2021 Tore auf - Europa rein: Jetzt gestalten wir!
Antragstext
Schon vor 80 Jahren entlarvte Altiero Spinelli im Manifest von Ventotene die
Idee des Nationalstaats als das wahre Hirngespinst – denn nur ein vereintes
Europa schafft eine friedliche und zukunftsfähige europäische Gemeinschaft.
Dieses Jahr feiern wir das Jubiläum des Manifests, das bis heute eines der
bedeutendsten Dokumente für die europäische föderalistische Bewegung und damit
zentral für den weiteren Erfolg der europäischen Einigung ist. Im Manifest wird
zum ersten Mal die Idee eines freien und vereinten Europas skizziert – und ist
damit bis heute noch aktuell. Als Junge Europäische Föderalist*innen verstehen
wir uns als Verfechter*innen der Idee von Ventotene - einer europäischen
Föderation.
Wir fordern: Reißt die Tore auf für ein Europa, das demokratisch, handlungsfähig
und nachhaltig ist! Dazu wollen wir das Momentum der Zukunftskonferenz nutzen,
um die föderalistische Stimme im Reformprozess der EU zu stärken.
Seit dem gescheiterten Verfassungskonvent in den 2000ern folgte in Europa eine
Krise der nächsten. Die Europäische Union steht heute so zerrissen da wie schon
lange nicht mehr. Viele Probleme bleiben auch nach Jahren der Verhandlungen
weiterhin ungelöst: Seit 2015 streiten die EU-Mitgliedstaaten ohne nennenswerte
Erfolge über eine gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik. Klimaschutz wird zwar
angegangen, allerdings unterscheiden sich die Ansichten über eine gerechte und
klimafreundliche Transformation unserer Gesellschaft zwischen den
Mitgliedstaaten erheblich. Eine gemeinsame Linie in der Außenpolitik zu finden,
gelingt dem Rat der Europäischen Union sowie dem Europäischen Rat zunehmend
weniger. Besonders besorgt beobachten wir, dass demokratische Prinzipien in
Europa zunehmend bedroht und in einigen Mitgliedstaaten sogar unterwandert
werden. Aber auch in vielen anderen Bereichen sehen wir anstatt Fortschritt
Stillstand und Blockaden, die an der Zukunftsfähigkeit des europäischen
Integrationsprojekts zweifeln lassen.
Wir erkennen zwar die zukunftsorientierten Bemühungen an, die in den letzten
Monaten und Jahren in der EU unternommen wurden. Die Einigung zum
#NextGenerationEU Wiederaufbaufonds ist historisch bedeutend, weil die EU
erstmals gemeinsame Schulden aufnimmt. Der European Green Deal birgt die Chance,
Europa zu einem nachhaltigen und zukunftsfähigen Kontinent auszubauen. Trotzdem
wirken diese Erfolge oft mehr wie ein Tropfen auf dem heißen Stein: Sie reichen
bei weitem nicht aus, um die EU zukunftsfest und zukunftsfähig zu machen. Der
Lissabon-Vertrag ist nicht mehr zeitgemäß und muss grundsätzlich erneuert
werden. Stattdessen brauchen wir eine europäische Verfassung, die echte
Demokratie in der EU schafft und die EU befähigt, europäische und globale
Herausforderungen zu meistern.
Reißen wir die Tore auf, für ein Europa, das demokratisch ist!
Wir fordern, dass das Europäische Parlament zu einer umfassenden
Bürger*innenvertretung wird. Dazu braucht das Parlament ein
Initiativrecht, es muss in jeder Hinsicht am Gesetzgebungsprozess
beteiligt sein und vor allem die ureigene Aufgabe eines Parlaments
besitzen, Steuern und Abgaben festzulegen. Zudem muss es durch ein in
allen Mitgliedstaaten einheitlich geltendes europäisches Wahlrecht auch
über transnationale Listen gewählt werden können.
Wir fordern, dass die/der Präsident*in der Europäischen Kommission sowie
alle Kommissare ausschließlich vom Europäischen Parlament gewählt werden
und setzen uns dabei für die vertragliche Festsetzung des
Spitzenkandidat*innen-Prinzips ein.
Wir fordern, dass die Übermacht des Europäischen Rates als
intergouvernementales Gremium begrenzt wird und die Dominanz der
Nationalstaaten auf den EU-Integrationsprozess einer stärkeren Rolle des
Europaparlaments weicht.
Wir fordern, dass die Entscheidungsprozesse innerhalb der europäischen
Institutionen, insbesondere aber im Rat der Europäischen Union
transparenter und für die Bürger*innen der EU nachvollziehbar werden.
- Wir fordern, dass zur Stärkung der europäischen Zivilgesellschaft ein
europäisches Vereinsrecht eingeführt wird, welches Vereinen eine
unbürokratische und rechtssichere Möglichkeit eröffnet, sich auf
europäischer Ebene zu organisieren.
Reißen wir die Tore auf, für ein Europa, das handlungsfähig ist!
Wir fordern eine gemeinsame europäische Außenpolitik, in der die EU
strategische Selbstständigkeit erlangt. Dies bedeutet: Das
Institutionengefüge muss trotz seiner Komplexität zügig auf aktuelle
Krisen und Konflikte antworten können. Der erste Schritt hierfür sind
Mehrheitsentscheidungen statt Einstimmigkeits- und Konsensprinzip in
außenpolitischen Fragen.
Wir fordern, dass die bestehenden Institutionen grundlegend neugestaltet
werden. In einer sich beschleunigenden Welt haben behäbige
Entscheidungsprozesse wie die intergouvernementalen Verhandlungen im
Europäischen Rat sowie im Rat der EU ausgedient. Die Handlungsmacht der
Räte muss deutlich reduziert werden. Als Staatenvertretung haben sie zwar
eine Rolle im Gesetzgebungsprozess, dürfen allerdings nicht
letztinstanzlich sämtliche Gesetzesvorhaben verhindern können.
Reißen wir die Tore auf, für ein Europa, das nachhaltig ist!
Wir fordern, dass die Digitalisierung des europäischen Kontinents auf
sämtlichen Ebenen vorangetrieben wird. Digitalisierung darf hierbei nicht
als Kosteneinsparung und Ersetzen von Arbeitskraft verstanden werden,
sondern vielmehr sollen Prozesse effizient, bürger*innennah und leicht
verständlich gestaltet werden. Hierfür kann die europäische Föderation
einen rechtlichen Rahmen gestalten, insbesondere mit dem Ziel, bei dieser
Transformation niemanden zurückzulassen.
Wir fordern, dass der Europäische Green Deal in der EU gemeinsam
verwirklicht wird. Das 1,5°C-Ziel kann nur erreicht werden, wenn wir als
europäischer Kontinent zusammen die gerechte Transition in eine
klimaneutrale Zukunft gestalten.
Wir fordern, dass die Mobilitätswende zur Erreichung des Klimaziels
umgesetzt wird. Getreu dem laufenden Jahr der Schiene, das von der
Europäischen Kommission ausgerufen wurde, muss unsere Infrastruktur
nachhaltig werden. Dazu gehört ein leistungsfähigeres, vernetztes und
gemeinsames Zugsystem, das zu einer erweiterten Verbindung europäischer
Metropolen und Landschaften beiträgt.
Es ist an der Zeit, die Zügel in die Hand zu nehmen und den
Föderalisierungsprozess zu beschleunigen. Kleine Schritte sind wichtig auf
diesem Weg, doch wir fordern keinen Trapp, sondern einen furiosen Galopp, um
unsere Vision einer europäischen Föderation schnellstmöglich zu erreichen und
auf die Probleme unserer Zeit zu antworten.
Die Konferenz zur Zukunft Europas stößt uns die Tore auf, um mehr Europa
hereinzulassen. Jetzt sind wir an der Reihe, die Zukunft Europas zu gestalten.
Wir müssen uns in die Konferenz einbringen, unsere Vision für ein geeintes
Europas vorbringen und darauf hinwirken, so die notwendigen Veränderungen in der
EU zu erreichen. Die nationalen Regierungen lassen ein verstärktes Engagement im
Rahmen der Zukunftskonferenz vermissen und zögern, allein die Möglichkeit von
Vertragsveränderungen einzuräumen. Jedoch muss die Stimme der Bürger*innen
gehört werden und die Konferenz zwingend in einen Konvent münden, um ein
demokratisches, handlungsfähiges und nachhaltiges Europa zu schaffen.
Der vergangene Wahlkampf in Deutschland hat europäische Themen oft vergessen,
und während Europa nach Deutschland blickte, kreiste dies vor allem um sich
selbst und vernachlässigte die eigene Verantwortung, ein verlässlicher Partner
in Europa zu sein. Die neue Bundesregierung muss darum jetzt klaren
Gestaltungswillen für die Zukunft Europas beweisen und zügig eine Regierung
bilden, die sich dieser Verantwortung bewusst ist. Dafür haben wir bei der
Bundestagswahl unsere Stimme abgegeben. Jetzt fordern wir von der neuen
Bundesregierung, nicht nur Europa mitzudenken, sondern Europa mitzugestalten und
die Chance zu nutzen, die sich mit den proeuropäischen Regierungen in Frankreich
und Italien aktuell ergibt. Wir werden die Bundesregierung fortlaufend an diesen
Auftrag erinnern.
Stellen wir uns überzeugt in die Tradition des Manifests von Ventotene, bringen
wir die Idee der Europäischen Föderation mutig voran! Hierbei müssen wir die
blockierenden Keile der nationalkonservativen und nationalstaatlich denkenden
Kräfte aufbrechen und Europas angestaubte Pforte öffnen, um den Wind frischer
Ideen einzulassen. Nutzen wir das Momentum, das uns Pandemie, Bundestagswahl und
Konferenz zur Zukunft Europas gerade geben! Denn jetzt gestalten wir, mutig und
entschlossen: Simply a generation ahead!
Begründung
erfolgt mündlich
Unterstützer*innen
Zustimmung
Änderungsanträge
- Ä2 (Christoph Hertweck, Zurückgezogen)