Veranstaltung: | JEF Bundeskongress 2021 |
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Antragsteller*in: | JEF NRW (dort beschlossen am: 12.09.2021) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 16.09.2021, 15:05 |
IA12: Für eine Reform der EU-Digitalpolitik
Antragstext
- dass große internationale Unternehmen, insbesondere internationale
Digitalunternehmen, in unverhältnismäßig großen Geldsummen systematisch
Steuern in Europa vermeiden,
- dass sich der digitale, europäische Markt in Gänze auf wenige Anbieter
konzentriert,
- dass in der E-Commerce Branche teils prekäre Arbeitsbedingungen,
ausbeuterische Löhne und zweifelhafte Anstellungsverhältnisse
vorherrschen,
- dass E-Commerce Unternehmen teilweise die Arbeiten von Betriebsräten und
betrieblichen Versammlungen aktiv behindern,
- dass durch den Onlineversandhandel die Zahl gesundheitsschädlicher Waren
ansteigt und infolgedessen mehr Beschäftigte in der Logistikbranche
gesundheitlich gefährdet sind,
- dass Onlinehändler teilweise durch Produkt-, Kontosperren und der
Einbehaltung von Guthaben einer Willkür der E-Commerce-Plattformanbieter
unterworfen sind,
- dass in Europa kaum inländische Digitalunternehmen internationalen
Durchbruch erlangen.
- dass die EU bisher nicht schärfere Regelungen gegen die oben genannten
zweifelhaften Geschäftspraktiken internationaler Digitalunternehmen
verabschiedet hat
- dass die EU nicht stark genug europäische Digitalunternehmen finanziell
und politisch unterstützt,
- dass die EU nicht ausreichend die Übernahme von europäischen
Digitalunternehmen reguliert.
- erneut für einen europaweiten Mindestlohn und stärkeren Schutz bzw. höhere
Strafen bei der Behinderung der Arbeit von Betriebsräten und betrieblichen
Versammlungen,
- für die Angleichung des Lohns von freien Mitarbeitern an die Löhne von
Festangestellten in der E-Commerce Branche, unter Betrachtung aller für
gewöhnlich anfallenden Versicherungskosten,
- für eine Reform der gesetzlichen Bestimmung zur Societas Europaea (kurz
SE) im Hinblick auf eine stärkere Mitbestimmung durch
Arbeitnehmervertretungen,
- für bessere Arbeitsbedingungen in E-Commerce Unternehmen in Bezug auf
Pausenzeiten, Erfassung und Verarbeitung von Mitarbeiterdaten,
Bewertungssysteme und Videoüberwachung,
- für eine verschärfte Regelung des Betreibens von E-Commerce Plattformen
zum Schutz der Onlinehändler in Bezug auf Datennutzung und -verarbeitung,
sowie Plattformzugang und Plattformprovision,
- für die Einführung einer europaweiten Quellensteuer auf den Umsatz statt
bisher auf den Gewinn,
- erneut für eine europaweite Homogenisierung der Steuersätze und die
Einführung eines europaweiten Mindeststeuersatzes von 15 %,
- für eine europaweite Aufstockung von Warenkontrollinstanzen, insbesondere
Umweltbehörden und Zolleinheiten,
- für die Verabschiedung von empfindlicheren Strafen gegen das Einführen und
Handeln mit gesundheitsschädlichen Waren,
- für eine Verabschiedung eines Gesetzes, dass die Speicherung, Nutzung und
Verarbeitung von europäischen Daten außerhalb von Europa verbietet,
- für das Auflegen eines eigenen, europäischen Fonds zur Förderung von
europäischen Digitalunternehmen.
- die bisherigen Zusammenarbeiten europäischer Digitalunternehmen,
insbesondere bei dem Projekt GAIA X,
Begründung
Seit einiger Zeit beunruhigen uns die Vorgänge auf dem europäischen E-Commerce-
/Digitalmarkt. Denn seit dem Erlangen ihrer unbestrittenen Marktmacht, haben
große Digitalkonzerne wie Google oder Amazon immer wieder gezeigt, dass es dem
digitalen Raum in Europa an Richtlinien und gesetzlichen Sicherheitsmaßnahmen
fehlt. Gleichzeitig wurde Europa auch vor wirtschaftliche Herausforderungen
eines größeren und an Wichtigkeit gewinnenden digitalen Marktes gestellt. Diese
Hürden konnten jedoch gerade im Hinblick auf Wachstum und Wettbewerb noch nicht
überwunden werden. Konkret fordern wir daher politische Anstrengungen in
verschiedenen Bereichen. Zu Punkt 1 a: hier handelt es sich insbesondere um
große Digitalkonzerne wie Apple, Amazon, Microsoft, Google, Facebook, die über
Niederlassungen in Irland, Luxemburg und der Niederlande nach Schätzung der EU
jährlich bis zu 70 Mrd. € Steuer vermeiden. Zu Punkt 1 c: hier beziehen wir uns
auf Lagerhilfen, Paketbot*innen, Lieferant*innen, Kuriere und Uber-Fahrer*innen,
die gewöhnlicherweise bei E-Commerce Unternehmen wie Amazon, Lieferdiensten wie
Lieferando, Paketversandunternehmen wie DHL, Hermes, DPD und anderen
Servicevermittlern zu arbeiten. Zu Punkt 1 d: hier beziehen wir uns auf
Medienberichte aus den Betrieben von Amazon, Tesla, Zalando. Zu Punkt 1 e: mit
einer immer größer werdenden Zahl von günstigen Anbietern wie joom, wish, jet,
alibaba und amazon strömt eine immer größer werdende Zahl an minderwertigen
Produkten auf den Markt. Diese riesigen Warenmengen können kaum noch
fachmännisch überprüft werden. Das Risiko gesundheitlicher Schäden für
Logistikmitarbeiter*innen und Verbraucher*innen steigt stetig an. Zum Schutze
der Bevölkerung braucht es nach unserer Einschätzung eine Aufstockung des Zolls
und der Umweltbehördern, sowie deren technischer Ausstattung, um der anhaltenden
Warenflut Herr zu werden. Zu Punkt 1 f: Besonders Händler*innen auf Amazon und
Ebay sind in den letzten Jahren von der Willkür dieser Konzerne betroffen
gewesen. Die Konzerne sperrten Produkte und Händlerkonten, behielten Guthaben
ein, ohne eine Begründung anzugeben. Aufgrund der Monopolstellung der Konzerne
sind Einkommensausfälle auf diesen Plattformen für Händler*innen Existenz
bedrohend. Zu Punkt 3 d: Hier beziehen wir uns insbesondere auf Medienberichte
aus den Amazon-Lagern bezogen auf die minutiöse Erfassung von Leistungsdaten,
Gesundheitsdaten, Pausenzeiten und der Bewegung von Mitarbeiter*innen, deren
Ergebnisse teils Grundlagen für Kündigungen bildeten. Bei Zalando gibt es
Mitarbeiter*innenbewertungssysteme, die über die Löhne und die Aufstiegschancen
entscheiden. Wir halten diese Form der Datenerfassung für einen tiefen,
gesundheitsschädlichen Eingriff in die Privatsphäre der Mitarbeiter*innen.
Schließlich begrüßen wir noch in diesem Zusammenhang die jüngsten europäischen
Bemühungen einer besseren Steuerpolitik, die europäische Zusammenarbeit bei
digitalen Projekten wie etwa GAIA X, die europäischen Bestrebungen des Green
Deals und die politische Sensibilisierung für die europäische, digitale
Souveränität. Gerade die Corona Pandemie hat deutlich gemacht, dass in einer
Zeit, in der die physische Welt stehen zu bleiben scheint, digitale Märkte und
damit auch der E-Commerce Sektor und Digitalkonzerne florieren. Die EU muss in
der Lage sein, hier ihre wirtschaftlichen Stärken ausbauen zu können, um im
internationalen Wettbewerb weiter mithalten zu können. Gleichzeitig muss die EU
jedoch auch rechtliche Rahmenbedingungen setzen, um ihre Werte, ihre
Wirtschaftskraft und die Sicherheiten, die sie ihren Bürger*innen und
Händler*innen bietet, auf dem digitalen Markt nicht zu verlieren.
Christoph Hertweck: